Versteigerung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke - EuGH stellt Regeln klar (C-604/22)

Niklas König lacht
Niklas Koenig
10. März 2024
7. Min

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 7. März 2024 in der Rechtssache C-604/22 wichtige Fragen zur Versteigerung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke geklärt.

Hintergrund: Real-Time Bidding und die Rolle von IAB Europe

Wenn ein Nutzer eine Website oder App mit Werbeplatz aufruft, findet häufig im Hintergrund eine Echtzeit-Auktion(Real-Time Bidding) statt. Dabei können Werbeunternehmen, Datenbroker und Werbeplattformen anonym Gebote abgeben, um den Werbeplatz zu erhalten und dort auf das Nutzerprofil zugeschnittene Werbung anzuzeigen. 

Bevor solche personalisierte Werbung ausgespielt wird, muss aber die Einwilligung des Nutzers zur Erhebung und Verarbeitung seiner Daten (z.B. Standort, Alter, Suchverlauf, Einkäufe) für Zwecke wie Marketing eingeholt werden.

Der Branchenverband IAB Europe hat eine Lösung entwickelt, um dieses Auktionssystem DSGVO-konform zu gestalten. Die Einwilligungspräferenzen der Nutzer werden dabei in einem "Transparency and Consent String" (TC-String) kodiert, der mit Datenbrokern geteilt wird. Zusätzlich wird ein Cookie auf dem Gerät des Nutzers gespeichert.

Die zentralen Aussagen des EuGH-Urteils

Der EuGH bestätigte nun, dass der TC-String Informationen über einen identifizierbaren Nutzer enthält und somit ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstellt. Anhand der Informationen im TC-String kann ein Nutzer identifiziert werden, wenn sie mit anderen Kennungen wie der IP-Adresse des Geräts kombiniert werden.

Weiterhin stellte der EuGH fest, dass IAB Europe als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO anzusehen ist, da der Verband in der Lage ist, auf die Verarbeitung personenbezogener Daten Einfluss zu nehmen.IAB Europe legt gemeinsam mit seinen Mitgliedern sowohl die Zwecke als auch die Mittel der Datenverarbeitung fest.

Allerdings kann IAB Europe laut EuGH für Datenverarbeitungen, die nach Speicherung der Einwilligungspräferenzen im TC-String erfolgen, nur dann als verantwortlich angesehen werden, wenn nachgewiesen ist, dass der Verband Einfluss auf Zwecke und Modalitäten dieser Weiterverarbeitungen hatte.

Auswirkungen auf Unternehmen und Werbetreibende

Das EuGH-Urteil stellt Unternehmen und Werbetreibende vor neue Herausforderungen. Sie müssen ihre Systeme und Prozesse anpassen, um die Vorgaben umzusetzen. Dazu gehört, gemeinsam mit Branchenverbänden wie IAB Europe als gemeinsam Verantwortliche zu agieren und entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Eine Alternative zu personalisierten Echtzeitauktionen könnte kontextbezogene Werbung sein, die sich am Inhalt der Website orientiert, statt am Nutzerprofil. Allerdings müssen Werbetreibende beider Umstellung ihrer Systeme mit Kosten und technischen Hürden rechnen.

Folgen für Verbraucher und Nutzer

Für Verbraucher könnte das Urteil mehr Transparenz und Kontrolle über ihre Daten bedeuten. Unternehmen müssen die Datenverarbeitung besser dokumentieren und die Einwilligung der Nutzer einholen. Verbraucher haben das Recht, der Erstellung von Nutzerprofilen und dem Tracking ihres Surfverhaltens zu widersprechen.

Allerdings müssen sie dafür aktiv werden und ihre Rechte wahrnehmen, etwa indem sie der Datennutzung für Werbezwecke widersprechen oder Auskunft über gespeicherte Daten verlangen. Verbraucherschützer fordern, dass die Einwilligungsprozesse nutzerfreundlicher und verständlicher gestaltet werden. Zudem könnte das Urteil dazu führen, dass Nutzer weniger personalisierte Werbung sehen und stattdessen vermehrt kontextbezogene Anzeigen eingeblendet werden.

Offene Fragen und Ausblick

Trotz der Klarstellungen des EuGH bleiben einige Fragen offen. So ist noch unklar, wie nationale Aufsichtsbehörden die neuen Vorgaben durchsetzen und kontrollieren werden. Es bleibt abzuwarten, ob es zu einer Reform des europäischen Datenschutzrechts kommen wird, um einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen.

Auch technologische Entwicklungen könnten in Zukunft datenschutzfreundliche Formen der personalisierten Werbung ermöglichen. Denkbar wären etwa Systeme, bei denen die Datenverarbeitung ausschließlich auf dem Gerät des Nutzers stattfindet, ohne dass Daten an Dritte übertragen werden. Solche Lösungen befinden sich aber noch in der Entwicklung.

Best Practices und Handlungsempfehlungen

Einige Unternehmen haben bereits vorbildliche Consent Management Systeme implementiert, die den Anforderungen des EuGH-Urteils gerecht werden. Sie zeichnen sich durch nutzerfreundliche Einwilligungsprozesse, transparente Informationen und einfache Widerspruchsmöglichkeiten aus.

Experten empfehlen Werbetreibenden, sich an diesen Best Practices zu orientieren und ihre Systeme entsprechend anzupassen. Dazu gehört auch, die Datenverarbeitung auf das notwendige Maß zu beschränken und Daten nicht länger als nötig zu speichern. Verbraucher sollten ihre Rechte aktiv wahrnehmen und bei Unklarheiten Auskunft von den Unternehmen verlangen.

Letztlich liegt es an allen Beteiligten -Unternehmen, Verbänden, Aufsichtsbehörden und Verbrauchern - die Vorgaben des EuGH-Urteils in der Praxis umzusetzen und damit einen besseren Datenschutz bei personalisierter Werbung zu erreichen.

Ein Fazit

Das EuGH-Urteil schafft mehr Klarheit beider datenschutzrechtlichen Bewertung von Echtzeit-Auktionen für personalisierte Werbung. Es zeigt, dass Branchenverbände wie IAB Europe als Verantwortliche im Sinne der DSGVO anzusehen sein können, wenn sie maßgeblichen Einfluss auf Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung haben. 

Unternehmen, die personenbezogene Daten für gezielte Werbung verarbeiten, müssen sicherstellen, dass sie eine gültige Einwilligung der Nutzer einholen. Auch sollten sie prüfen, inwieweit sie gemeinsam mit anderen Akteuren wie IAB Europe als gemeinsam Verantwortliche anzusehen sind und entsprechende Vereinbarungen treffen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Werbebranche und Aufsichtsbehörden auf das Urteil einstellen werden. Klar ist, dass die DSGVO-Vorgaben bei der Gestaltung von Systemen für personalisierte Werbung genau beachtet werden müssen, um hohe Bußgelder zu vermeiden. Gleichzeitig bietet das Urteil die Chance, mehr Transparenz und Kontrolle für Verbraucher zu schaffen und das Vertrauen ind igitale Werbung zu stärken.

Bildnachweis

JoPanwatD

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